Saša Stanišić feiert in seinem 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Herkunft“ die Schönheit der Sprache. Er beschreibt die Flucht seiner Familie vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland und seine spätere Suche nach den Erinnerungen an eine mögliche Heimat in Bosnien. Sein Erzählen mäandert durch die unterschiedlichsten Perspektiven und Gedanken, viele Ebenen verschwimmen dabei assoziativ und unverhüllt ineinander. Jedoch präsentiert der Roman ausschließlich Fakten. Vielleicht steht er auch deshalb noch immer auf den SPIEGEL-Bestsellerlisten – erzählt wird (s)eine Familiengeschichte zwischen dem ehemaligen Jugoslawien und heutigen Bosnien sowie Deutschland von den 90er-Jahren bis heute.
Abschweifung wird in Stanišićs „Herkunft“ zum Grundprinzip des Erzählens. Zwischen Erfindung und Erinnerung fragt der Text: Wer bin ich und was ist Heimat? Und beschreibt darüber hinaus eine fragmentierte und zersplitterte Flucht, die – bedenkt man die aktuellen, teils menschenverachtenden Grenz- und Einwanderungspolitiken – kaum mehr zielgerichtet auf eine erfolgreiche Ankunft hinlaufen kann. Die Bühnenfassung bewahrt eine große Nähe zur Vorlage und nimmt auf diese Weise den mosaikhaft angelegten Originaltext ernst. Figuren der Familie Stanišić, aus verschiedenen Generationen in verschiedenen Kulturen beheimatet, beleben und spielen so die erzählende Autorenrede.