Es ist einer der milden Tage in diesem stillen Frühling 2020. Die Welt hält den Atem an, während sich die Natur erholt. Vom Winter ist das Normale. Jetzt erholt sich die Natur sogar von uns. Sie lädt uns ein, sie in ihrer ursprünglichen, zerbrechlichen Schönheit zu Fuß oder mit dem Rad zu entdecken. Wir nehmen die Einladung an, packen den Rucksack und machen uns auf den Weg. Gleich vor unserer Haustür in Bad Rothenfelde steigen wir in den Ahornweg ein.
Von glücklichen Eiern & frischen Hühnern
Auf dem Ahornweg von Bad Rothenfelde nach Hilter
Ein stahlblauer Himmel ohne die üblichen Schnittmuster der Kondensstreifen ist der Hintergrund für die ersten, filigranen Blüten in den Baumkronen auf der Alten Salzstraße in Bad Rothenfelde. „Ideales Motiv für eine Fototapete“, denke ich mit Blick auf mein Display des Smartphones.
Weiter geht es über den Kollweg in Richtung Hilter. Wir begegnen auf Abstand Joggern und Spaziergängern. Quirlige Hunde an der Leine ihrer Leute freuen sich sichtlich über dieses herrliche Frühlingswetter und spüren mit ihren Nasen die verschiedenen Düfte auf. Mein Mann fotografiert in der Zeit die spektakuläre Aussicht auf den Kamm des Teutoburger Waldes. Das dauert immer ein bisschen und herumstehen ist nicht mein Ding.
Fundstücke auf dem Ahornweg - analog und digital
Also schweifen meine Augen über Waldboden auf der Suche nach Strandgut wie zum Beispiel Baumrinden oder Fossilien, woraus ich Objekte für den Garten machen kann. Strandgut? So abwegig ist das nicht! Der Ahornweg verläuft zum Teil über den Jahrmillionen alten Salzstock des Zechsteinmeeres. Der Ursprung der Bad Rothenfelder Sole, die als flüssiges „Weißes Gold“ an den Gradierwerken rieselt. Mein Mann hat seine Bilder auf der Speicherkarte und meine Fundstücke sind in der Tasche gesammelt. Leider ist es heute bei Baumrinden geblieben. Steine mit Fossilien waren nicht dabei. Die gibt es hier aber immer noch. Im Bad Rothenfelder Heimatmuseum liegen einige Exponate in den Vitrinen.
Weiter geht es bis zur Wandertafel. Jetzt müssen wir uns entscheiden. Nach links in den Kleinen Berg oder nach rechts runter durch die Felder nach Hilter. Wir entscheiden uns für den rechten Weg. Der Raps beginnt bereits zu knospen. Bald explodieren die Blüten und färben riesige gelbe Laken in die Landschaft. Für angehende Aquarellmaler*innen ist blauer Himmel über gelben Rapsfeldern das optimale Anfängermotiv. Kann jeder und beschert jedem sofort ein Erfolgserlebnis. Das muss ich mir gleich notieren für das nächste VHS-Semester, denn irgendwo befinden sich noch verwaiste Malutensilien. Die müssen mal wieder an die frische Luft.
Vor uns liegt eine Hofanlage und eine muntere Schar Hühner begrüßt uns gackernd. Warum kommen die alle so eilig zum Zaun? Und was hat der alte Kaugummiautomat dort zu suchen? Auf den zweiten Blick sehen wir es besser. Für 10 Cent und einmal drehen bekommen die Wanderer eine Handvoll Mais. Das pfiffige Federvieh weiß genau, was passiert. Ein unwiderstehliches, kindliches Vergnügen setzt sich durch. Das haben die uns angesehen. Bestimmt. Also fischen wir aus unseren Portemonnaies alle 10 Cent-Stücke raus und erstehen so eine ansehnliche Portion Maiskörner, die sich die Hühner schmecken lassen.
Für eine Handvoll Kleingeld
Ein paar Schritte weiter stehen die Basiszutaten für des Sonntagsfrühstück. Auf diese „Glücklichen Eier von den frischen Hühnern“ (Wer hat sich das denn einfallen lassen?) sind wir echt neugierig und wieder wechselt Kleingeld aus der Tasche in die Kasse. Der letzte Eierkarton ist unserer.
Wir setzen unseren Weg mit der zerbrechlichen Ladung vorsichtiger als Spaziergang durch die Siedlung fort und bestaunen die Vorgärten im Frühlingsoutfit. Die Singvögel komponieren ein lebhaftes Frühlingskonzert. Der Duft von frischem Rasenschnitt liegt in der Luft. Idyllisches Dorfleben eben. Nach ein paar Straßen ist der Wiedereinstieg in den Ahornweg zurück nach Bad Rothenfelde erreicht. Unser Ausgangsplan sah anders aus. Doch wer hätte gedacht, dass wir unterwegs unsere neuen Eierlieferanten selbst füttern und gleich mit den frischen Produkten bepackt die Wanderung beenden?
Eines können wir jedenfalls bezeugen: Der Hahn und seine Hühnerschar sind glückliche Geschöpfe und bei der guten Haltung können sie nur frische Eier liefern. Unser Sonntagsfrühstück hat es bewiesen. Genauso einen satt-goldgelben Dotter möchten wir in Zukunft immer auf dem Löffel haben.
